Palästina: Mitwirkende - Sami Daher

Sami Daher

Sami Daher
Pittaria
Theatergasse 12
CH-4500 Solothurn

Tel. 032 621 22 69
mobil: 079 617 34 11
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Nicht ohne meine elf Kamele - eine Liebeserklärung an Solothurn

von Sami Daher, Inhaber der "Pittaria"

Vor elf Jahren entschied ich mich, nicht ohne meine elf Kamele in Solothurn zu leben. Das war kein einfacher Entscheid, denn Solothurn war nie die Stadt der (elf) Wunder gewesen. Über ihren Mauern schwebten weder elf fliegende Teppiche noch lebten hier elf Dschinni. Und trotzdem bereue ich diesen Entscheid ganz und gar nicht. Während der elf kamellosen Jahre, die ich zuvor hier verbracht hatte, fühlte ich mich noch sehr fremd. Die "Ghule" der Fremde sass mir auf Schulter und Nacken - unerbittlich, vom Moment an, da meine Füsse den Boden von Solothurn berührt hatten. Und jedes Jahr kam eine neue Ghule hinzu, bis sich am Schluss elf davon auf meinen Schultern bequemten und ihre Beine um meinen Hals klammerten. Sie liessen nicht locker, bis ich mich entschied, nicht mehr länger ohne meine Kamele in dieser Stadt zu leben. So baute ich vor genau elf Jahren mein eigenes Tor in Solothurn. Nicht in ihrer Mauer, nein, sondern mittendrin, beim Stadttheater: die Pittaria. Ein Tor, wodurch ich jederzeit auf dem Rücken meiner Kamele reitend in meine ursprüngliche Heimatstadt Nazareth zurückkehren konnte. Zu ihrem Geruch, ihrem Geschmack und zu ihrem Klang. Ein Tor, durch das nicht nur ich und meine Kamele, sondern mit uns Hunderte von Solothurner/-innen jede Woche ein- und ausgingen.

So kam es, dass sich die Grenzen zwischen meinen beiden Heimatstädten, der alten und der neuen, völlig verwischt haben. Solothurn wurde Nazareth, und oft wenn ein arabischer Freund mich fragte, wo ich sei, so antwortete ich: "Ich bin auf dem Weg nach Nazareth," auch wenn ich eigentlich von Bern nach Solothurn fuhr. Meine Wahlheimatstadt wuchs mir immer mehr ans Herz. Solothurn ist eine Stadt, die mir für jenes Tor, das ich ihr gegeben habe, ganze elf offene Tore geschenkt hat. Wohin ich auch ging, öffneten sich für mich Türen. Kein "Tschau", kein "Hoi" oder "Salüaleikum" von mir blieb unerwidert, weder auf der Gasse noch in den vielen wunderbaren Bars.

Als Mensch, der ursprünglich aus Nazareth kommt - einer Stadt, die Waise ist, ohne Vater, ohne Mutter, da deren Bevölkerung arabisch ist, deren Staat jedoch Israel, der Staat der Juden - nehme ich die kleinsten Dinge wahr, die Solothurn zu einer, meiner, gut bewohnbaren Stadt machen. Oder zu einer, meiner, guten Geschäfts- und Arbeitsstadt. Schon der Anblick des Strassenwischers, der morgens eifrig jede Ecke putzt, gibt mir ein wohliges Heimatgefühl. Und wenn der Strassenwischer Otto heisst, Taubenvater der Stadt, der mir vor seiner Pensionierung jahrelang mit seiner Herzlichkeit begegnete, mich mit seinem liebevollen Plaudern vergnügt hat, dann weiss ich zweifelsohne: "Ich bin in meiner Heimatstadt angekommen." Oder wenn etwas Unangenehmes geschieht und die Dienste der Stadtpolizei gebraucht werden und diese auf der Stelle da ist, dann fühle ich mich nicht nur sicher und weiss, dass mein Frieden geschützt ist, sondern auch als Angehöriger einer Stadt beziehungsweise eines Staates. Ein Zugehörigkeitsgefühl, das ich in meiner ursprünglichen Heimat lebenslang entbehrt habe. Ein Zugehörigkeitsgefühl, das sich noch verstärkt, wenn der Polizist Mathias, Zürcher oder Hafner heisst.

Dies ist übrigens kein Zeichen der Anbiederung eines Fremdlings. Da ich aus einer staatenlosen Vergangenheit komme, schätze ich jedes kleine Zeichen eines funktionierenden Staatswesens. Und da ich nicht sehr angepasst bin, schätze ich natürlich mehr die kleinen Zeichen als die grossen. Schön ist, dass Anpassertum hier nicht geschätzt wird. Dass ich nicht ohne meine Kamele in dieser Stadt leben will, ist nicht gerade anpasserisch. Meine Kamele stehen quer in der Landschaft und trotzdem gehören sie "scho e bitz" zum Stadtbild. Sie bringen mir kostbare Gewürze, mit denen ich die Geschmäcke in dieser Stadt beeinflusse. Und dank ihnen hat sich ein "Arabdowntown" in Solothurn etabliert. Und doch ist es nicht nur dank meiner Kamele, sondern es ist der Verdienst einer Stadt, die weltoffen ist. Die es ausdrücklich wünscht, ihre Nahrung aus so vielen verschiedenen Kochtöpfen einzunehmen. Eine Stadt, aus deren währschaften Töpfen ich genauso gerne esse, wie sie aus meinen exotischen isst. Eine Stadt, in der meine östliche und meine westliche Seele sich in meiner Brust vereint haben. So dass ich die elf Ghulen der Fremde, die jahrelang auf meiner Schulter sassen, in Pension schicken konnte.

Für diese Stadt, die mich seit Jahren in ihre Arme nimmt und die ihre Liebe mir gegenüber immer wieder offenbart, schreibe ich diese Liebes- und Dankeserklärung. Solothurn, ana bahaibik - Solothurn, ich liebe dich. "Ghulen" sind übrigens Figuren, die meine Kindheit bereichert haben und die die palästinensischen Märchen bevölkern. Sie sind despotisch, doch sie können, sobald die Märchenhelden sie durchschauen, sehr gütig werden. Die "blaue Berta" könnte beispielsweise eine sein.

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